Bewaffnete Erwiderung

Nachrichten aus Umtata, Teil sieben: Hier wacht der Sicherheitsdienst

Über unserem Bett gibt es einen Knopf mit der roten Aufschrift "Emergency". Einmal hat unsere zweijährige Tochter draufgedrückt, und schon ist die Sirene losgegangen. Einmal haben auch wir damit zum Geheul der Alarmanlagen beigetragen, das wie eine allgegenwärtige Hintergrundmusik das Leben in Umtata begleitet. Kein Mensch reagiert mehr darauf. An einen echten Alarm glaubt bei sovielen Fehlzündungen sowieso niemand, und nach 60 Sekunden schalten sich die elektronischen Nervensägen zum Glück von selber wieder ab.

Für den Fall, daß tatsächlich mal ein Überfall oder ein Einbruch die Alarmanlage auslösen, gibt es "Armed Response", die "bewaffnete Erwiderung" einer der zahlreichen Sicherheitsfirmen. Die kassieren 50 Mark im Monat und warnen alle potentiellen Räuber und Diebe mit einem auffälligen Schild an der Hauswand vor ihrem blitzschnellen Einschreiten zum Schutz des Privateigentums. Diese Schilder sind gleichzeitig Reklame, und wer keines hat, läuft Gefahr, die besondere Aufmerksamkeit unerwünschter Besucher auf sich zu lenken. Mit denen müßte er dann im Fall des Falles alleine fertigwerden, denn mit der Polizei ist nicht zu rechnen. Die ist nach Einbruch der Dunkelheit in Umtata telefonisch nicht mehr zu erreichen. Und selbst wenn, würde sie kaum kommen. Mit der Aufklärung der durchschnittlichen vier Morde am Tag hat sie schon mehr als genug zu tun, um einfache Einbrüche kann sie sich nicht auch noch kümmern.

Außerdem sehen die bewaffneten Rambos in den schwarzen Uniformen der Sicherheitsfirmen sowieso viel abschreckender aus. Am Eingang des Einkaufszentrums präsentieren sie ihre Maschinengewehre. Schwere Gitter, Drehtüren und Metalldetektoren schützen zusätzlich die besonders gefährdeten Großmärkte. "Cash and Carry" (Bargeld und Mitnehmen) werden die in Umtata genannt, von hochgerüsteten Räuberbanden immer wieder als Aufforderung zum "Bargeld mitnehmen" mißverstanden. Gleich im Dutzend sperren deshalb Wachmänner die ganze Straße ab, wenn ein Geldtransporter die Tageseinnahmen abholt.

Was allerdings nicht immer vor den Dieben schützt. Denn die sind manchmal gar nicht stärker, sondern schlauer. Neulich tauchten sie mal am hellen Vormittag ohne Gesichtsmasken und Hände-Hoch-Gebrüll in den Uniformen und dem Fahrzeug eines Sicherheitsdienstes vor der Standard Bank auf. Schnell hatten sie ihre "Kollegen" vom echten Sicherheitsdienst überzeugt, daß ein paar der schweren Geldkoffer gar nicht zur Standard, sondern gleich um die Ecke zur First National Bank geliefert werden sollten und nur aus versehen im falschen Auto gelandet waren. Kaum waren die Kisten umgeladen, verschwand das vermeintliche Kollegenfahrzeug auf Nimmerwiedersehn. Wer soll bei so vielen Sicherheitsdiensten auch noch den sicheren Überblick behalten?

Eine Frage, die uns auch schon persönlich beschäftigt hat. Einmal nämlich, da ist uns partout nicht mehr der Zahlencode eingefallen, mit dem man die Alarmanlage bei der Rückkehr nach Hause abstellt bevor sie losgeht. Ziemlich dumm standen wir als Einbrecher vor dem eigenen Haus und erwarteten die bewaffnete Erwiderung. Doch stattdessen klingelte nur das Telefon und eine freundliche Stimme fragte: "Alles in Ordnung bei Ihnen?" Erst später haben wir uns gefragt, ob wohl auch ein echter Einbrecher den Sicherheitsdienst mit einem lockeren "Ja, ja, wir haben bloß aus versehen den Code falsch eingetippt" am Telefon wieder abbestellen kann.

Dirk Asendorpf

(taz-Bremen, 8.10.1997)

--------------------------------------------------------------------------------

[ Zurück zur Startseite | Zurück zur Kolumnen-Übersicht | Nächste Kolumne ]

(c) beim Autor. All rights reserved.