Dicke Fettkringel

Nachrichten aus Umtata, Teil fünf, oder: Warm Bier und Wurst die Völker eint

"Was, Du willst schon nicht mehr?" Ungläubig hält mir Zola das Tablett unter die Nase. Lauwarmes Fett tropft vor mir ins Gras. "Erst wenn man schon satt ist, schmeckt Fleisch doch richtig gut", sagt er und schiebt ein Lammkotelett auf meinen Pappteller, "das mußt Du lernen. Hier, trink dazu noch ein Bier, dann rutscht es schon." Damit die Lektion garantiert ankommt, legt Zola noch ein großes Stück Boerewors obendrauf.

Burenwurst - kein südafrikanischer Grill, auf dem keiner dieser rindsdarmdicken Schweinefettkringel brutzeln würde. Und kein Garten, kein Autobahnrastplatz, kein Ausflugsziel, an dem nicht schon ein Rost auf das obligatorische Braai mit Boerewors, Kotelett und Getränken aus der Kühltasche warten würde. Holzkohlengrill und Bier, das ist bis heute wohl der einzige gemeinsame Nenner, auf den sich die Kulturen bringen lassen, die sich am Südzipfel Afrikas in den letzten 300 Jahren mehr bekriegt als gefunden haben. Die Liebe zum Vieh und seinem Fleisch eint Xhosa, Zulu, Buren.

Auch in Umtata, das nie uneingeschränkter burischer Herrschaft ausgesetzt war und seit über zwanzig Jahren von Schwarzen regiert wird, dreht sich überall die Burenwurst. An den staubigen Straßenecken heizen fliegende Händlerinnen schon bei Sonnenaufgang ihre Fettpfannen auf. Kein Frühstück ohne Boerewors, mittags oder zwischendurch: Burenwurst in aller Mägen. Nur Snobs sitzen lieber bei Kentucky Fried Chicken. Und wenn die Händlerinnen ihre Fettpfannen längst vom Straßenstaub befreit und in Pappkisten verstaut haben, dann brät die Burenwurst noch bis spät in die Nacht auf den offenen Feuern bei Miles Liquors.

Miles Liquors ist im calvinistischen Südafrika, in dem Bierverkauf im Supermarkt verboten ist, womöglich der einzige Alkoholhandel, der nie schließt. 24 Stunden, 365 Tage im Jahr geht bei Miles Liquors in Umtata Schnaps und Bier über den Ladentisch. Zum Service gehören auch die strohüberdachten Grillplätze, an denen das Holzkohlenfeuer nie ausgeht. Die Schlachterei im gleichen Haus sorgt für unbegrenzten Fleischnachschub, und die Musicbox an der Hauswand für die Bässe, die in den Magen wummern. Miles Liquors ist der ideale Ort, um Burenwurst mit Bier herunterzuspülen. Bis spät in die Nacht muß erstmal schlangestehen, wer dabei mittun will.

Burenwurst ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Der reichste Mann in Umtata ist der Besitzer einer Schlachterladenkette, Umsatz wird vor allem mit der Wurst gemacht. Und zwar soviel, daß sich damit ein Privathubschrauber finanzieren läßt, mit dem Umtatas Wurstmogul jeden Abend 200 Kilometer weit in seine Villa ans Meer entschwebt. Unten auf der Straße rollt unterdessen Nachschub heran: tonnenweise Darm zum Stopfen.

Zola hat Fleisch und Wurst auf einem halbierten Ölfaß gegrillt, als Rost dient ein Stück alter Fliegendraht. Manchmal rutscht eine Wurst in die Glut und verkohlt mit viel Gestank. Manch anderen Garten schmückt ein Turbogrill aus Edelstahl. Aber Stichflammen, die tropfendes Fett aus der Glut schlagen, werden hier wie dort mit dem gleichen südafrikanischen Dosenbier gelöscht - Marke Castle, Multikulti-Werbespruch: "One nation, one beer." Über Geschmack wird nicht gestritten. "Boerewors ist lecker, komm nimm noch eine", sagt Zola und läßt das Fett vor mir ins Gras tropfen.

Dirk Asendorpf

(taz-Bremen, 9.9.1997)

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