Mit dem Inspektor im Copyshop

Nachrichten aus Umtata, Teil zwei

Jetzt ist Umtata wieder Hauptstadt. Drei bittere Jahre lang war die südafrikanische Provinzmetropole mit ihrer stolzen Vergangenheit als Kapitale der Xhosa-Nation und der einst - zumindest aus Apartheid-Sicht - souveränen Transkei zur nationalen Bedeutungslosigkeit verbannt. Doch jetzt melden die Medien wieder: Umtata ist die Hauptstadt - des Autodiebstahls.

265 Stinkblechkisten haben in den vergangenen 12 Monaten ohne Kaufvertrag ihren Besitzer gewechselt. Darunter auch der japanische Kleinbus mit dem im Nachhinein vollauf gerechtfertigten Namen Venture ("Wagnis, Risiko") des Autors. Was einige Unannehmlichkeiten zur Folge hatte, aber auch die Annehmlichkeit eines interessanten Stadtbummels mit Inspektor Mtalana.

Der verwahrt in seiner Akte nämlich das handschriftlich verfaßte Protokoll der Diebstahls-Anzeige. Doch auch die Versicherung hat eine Akte und möchte darin das Polizeiprotokoll wissen, bevor sie ihrer Entschädigungspflicht für den Autoverlust nachkommt. Ein Ansinnen, das Inspektor Mtalana sofort einleuchtet. "Sie können gerne eine Kopie bekommen", versichert er dem Anrufer, "allerdings gibt es da ein kleines Problem."

In ganz Umtata nämlich, einer Halbmillionenstadt mit Hochhaus und Flugplatz, steht in keinem einzigen Polizeirevier ein Kopierer. "Wir hatten mal welche", erinnert sich Inspektor Mtalana an bessere Zeiten, "aber dann wurde soviel kopiert, daß sie wieder abgeschafft wurden." Kein Wunder, daß die Polizei ihre wertvolle Originalakte auf keinen Fall aus den Augen lassen darf, Ausleihen und irgendwo Kopieren kommt also nicht in Frage. Wohl aber ein ganz persönlicher Service. "Wenn Sie mich abholen, können wir zusammen in die Stadt fahren und zu einem Copyshop gehen", bietet Inspektor Mtalana an.

Ein, wie sich bald herausstellt, sehr nützliches Angebot. Denn als er wieder nach Hause kommt, hat der Inspektor-Begleiter nicht nur eine Kopie des Protokolls bekommen, sondern auch noch jede Menge interessante Mitteilungen aus der Welt des Autoklaus. Zum Beispiel die, daß das Risiko, dabei erwischt zu werden, ungefähr so groß ist wie beim Fahrradschloßknacken in Bremen. 2,8 Prozent betrug die Aufklärungsquote im letzten Jahr.

Was allerdings nicht bedeutet, daß zumindest Teile der Polizei nicht wüßten, wo die entwendeten Autos bleiben. Drei Wochen nach dem Besuch beim Copyshop wird der Chef von Inspektor Mtalana vor seinem Haus erschossen. Er war einem Syndikat von Autodieben auf der Spur. Hauptpersonen darin: drei Polizisten des Autodiebstahl-Kommissariats und ein Schrottplatz-Inhaber. Auf Mord, Verschwörung, Hehlerei und unerlaubten Besitz von Schußwaffen lautet die Anklage gegen die vier. Noch während sie in U-Haft sitzen kommt ein weiteres Delikt dazu: Brandstiftung. Vom Autodiebstahls-Kommissariat sind heute nur noch die verkohlten Reste des Fundaments zu sehen.

"Gar nicht gut" antwortet der nette Inspektor Mtalana bei unserer nächsten Begegnung entgegen aller Regeln der Höflichkeit auf die übliche Begrüßungsfrage: "Kunjani? - Na, wie gehts?" Seine gehüteten Akten sind futsch, Kopien gab es ja nicht. "Nicht alle Polizisten sind korrupt", hatte Nelson Mandela auf der 1.-Mai-Kundgebung der Bevölkerung Umtatas zugerufen. Wie recht er hat.

Dirk Asendorpf

(taz-Bremen, 18.8.1997)

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