Hier spart der Staat

Nachrichten aus Umtata, Teil 17, oder: Überschießende Phantasie beim Schutz öffentlichen Eigentums

Auf dem Flur des Postamts im benachbarten Kokstad gibt es eine Steckdose. Schnell hatte es sich unter den örtlichen Geschäftsleuten herumgesprochen, daß sich dort prima das Handy nachladen läßt, wenn die Batterie in der Stadt mal alle ist. Doch die Postbeamten wunderten sich über die neue Schlange, die sich außerhalb der Schalterhalle zu bilden begann. Probleme sind dazu da, gelöst zu werden, dachte sich der herbeigerufene Amtlseiter und befand: Der Postflur, also auch die Steckdose und der Strom, der daraus fließt, sind Staatseigentum, und daß daran jemand seine Batterie auflädt, um anschließend wieder munter über das private Funktelefonnetz zu telefonieren, das kann ja wohl nicht sein. "Die Steckdose brauchen wir, um den Boden zu bohnern", stellte er kategorisch fest, "ansonsten steckt da niemand seinen Stecker rein." Die Politik war klar, jetzt mußte sie nur noch durchgesetzt werden. "Die Steckdose wird rund um die Uhr bewacht", entschied der Amtsleiter und heuerte dafür einen Wachmann an. Der Schutz von Staatseigentum hat bei der Post von Kokstad eben oberste Priorität - koste er, was er wolle.

Große Sorgen macht sich auch der Leiter der Stadtbücherei in Umtata um das von ihm betreute Staatseigentum. "Der Diebstahl von Büchern gerät außer Kontrolle", schrieb er jüngst an Bürgermeister Mapekula, "es sollte dringend die Anschaffung eines Computer-Ausleihsystems erwogen werden, denn es kostet die Stadt ein Vermögen, die verschwundenen Bücher zu ersetzen." Außerdem bräuchten die Mitarbeiter der Stadtbücherei ein Dienstauto. "Erst dann könnten sie all die überfälligen Bücher an den Schulen und in einer Haus-zu-Haus-Aktion endlich wieder einsammeln", heißt es in dem Brief des Büchereidirektors.

Oder die Behörde für Tief- und Straßenbau. Sie hat keine Mühen und Kosten gespart, um die in Umtatas Straßen überall gähnenden Schlaglöcher endgültig zu stopfen. Modernstes Gerät wurde angeschafft - und steht bis heute blitzblank im Behördenhof. Dort spart es jeden Tag eine Menge Geld. Denn erst hat die Provinzregierung den Haushaltstitel fürs Baumaterial gekürzt, dann gab es kein Benzin mehr in der Fuhrpark-Tankstelle. Als die schließlich nachgefüllt war, versagten die Benzinpumpen. Die Elektrizitätsgesellschaft hatte nämlich den Strom abgestellt, weil die Stadt beim Bezahlen ihrer Rechnung allzu sparsam war.

Allerdings hängt auch in Umtata alles irgendwie mit allem zusammen. Und so hat jetzt die Sparsamkeit beim Schlaglochflicken ein tiefes Loch in den Haushalt der Verkehrspolizei gerissen. Die hat seit Januar nämlich einen neuen Chef. Und der will endlich aufräumen mit all den Auffahrunfällen, die den Verkehr Umtatas plagen. Bußgelder über mehr als 20.000 Mark hat er in den ersten Monaten seiner Amtszeit an die Fahrer von Minibustaxis ohne Blinker, Licht oder Bremsen ausstellen lassen. Anfang Juli formierten die sich jedoch zum Massenprotest. Ihr Schlachtruf: Solange die Stadt die Schlaglöcher nicht stopft, bezahlen wir kein Bußgeld. Ein Zusammenhang, der dem obersten Verkehrspolizisten offenbar einleuchtete. "Ich kann die Fahrer doch nicht wegen verkehrsuntauglicher Fahrzeuge verfolgen, wenn es offensichtlich ist, daß der schlechte Zustand der städtischen Straßen ihre Taxis ruiniert", erklärte er öffentlich - und verhängte ein Moratorium über die Strafverfolgung.

Dirk Asendorpf

(taz-Bremen, 1998)

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