Taxi-Krieg

Nachrichten aus Umtata, Teil 16, oder: Der mörderische Personennahverkehr

Am Montag vormittag hält ein Auto mit getönten Scheiben neben den wartenden Mini-Bussen in der Eagle Street. 17 Schüsse peitschen zwischen die Passanten mitten in Umtatas Geschäftszentrum. Dann prescht das Auto mit quietschenden Reifen davon, die getönten Scheiben waren noch nicht einmal heruntergekurbelt worden.

Nein, hier dreht nicht das südafrikanische Fernsehen die nächste Folge des Vorabendkrimis. Das Blut auf dem Pflaster ist echt, und der Mann, der darin liegt, ist wirklich tot. 38 Jahre alt war Vakele Nondywana, in der Polizeistatistik wird das frühe Ende seines Lebens unter "Taxi-Krieg" abgehakt.

"Taxis" werden in Südafrika die 16sitzigen Mini-Busse genannt, die für den Großteil des öffentlichen Personennahverkehrs sorgen. Nur 50 Pfennig kostet die Taxi-Fahrt, viele hundert Passagiere bezahlen sie jedes Jahr allerdings mit dem Leben. Die meisten von ihnen sterben in schrecklichen Unfällen, wenn die bis aufs Profil abgefahrenen Reifen der Taxis platzen oder wegrutschen, die Bremsen versagen oder die Fahrer einschlafen. Ein Taxi, das in der Werkstatt gewartet wird, fährt kein Geld ein, neue Reifen sind teuer, und die Konkurrenz im Taxi-Gewerbe ist mörderisch.

Und das nicht nur wegen der vielen Unfälle. Immer wieder heuern Taxiunternehmen professionelle Killer an, um sich den einen oder anderen Konkurrenten vom Hals zu schaffen. Gerne werden Taxis dann aus dem Hinterhalt mit Maschinengewehren beschossen. Neben dem Fahrer fallen diesem Streufeuer meist auch ein paar Passagiere zum Opfer. Oder die Killer nehmen gleich einen der Taxibesitzer vor die Kimme, so wie Vakele Nondywana am Montag.

Anders als sonst war an diesem Dienstag der Haupttatverdächtige schon verhaftet. Der Polizei war er kein Unbekannter. Am Abzug hinter den getönten Scheiben saß nämlich offenbar Sergeant Zola Barnes, ein Kollege aus der gerade erst eingerichteten "Sonderermittlungsgruppe Taxi-Krieg". Acht der 17 Schüsse waren aus seinem Dienstrevolver abgefeuert worden. Nicht zum ersten Mal zeigt sich hier die enge Verbindung der Staatsmacht mit dem mörderischen Nahverkehr. Polizisten lassen gerne das eine oder andere Taxi als Nebenerwerb laufen, berufliche Beziehungen helfen im Konkurrenzkampf. Und mancher Ex-Polizist macht seine Waffenkenntnis im Taxi-Krieg zu schnellem Geld.

Noch vor fünf Jahren gab es kaum ein Taxi in Umtata. Die staatliche Busgesellschaft der Transkei hielt das Monopol im Öffentlichen Personenverkehr. Doch mit dem Staat verschwand 1994 auch die Staatskontrolle über das Transportwesen. Und die Menschen freuten sich. Denn im Unterschied zu den ewig späten und spärlichen Buslinien waren die Taxis schnell und bald überall reichlich vorhanden. So reichlich, daß der Kampf um die Passagiere begann.

"Uncedo" heißt die größte Taxikooperative in Umtata. Zu Uncedo gehörten auch die Taxis von Vakele Nondywana. Uncedo ist ein schönes und viel benutztes Wort in isiXhosa, der Sprache Umtatas. Uncedo heißt Hilfe. Und eine große Hilfe sind die Taxis ohne Frage für zehntausende von Pendlern, die jeden Tag nach Umtata kommen müssen. Doch im Taxi-Krieg hat der schöne Name seinen Doppelsinn bekommen. Uncedo: Ein Taxi, Hilfe!

Dirk Asendorpf

(taz-Bremen, 1998)

--------------------------------------------------------------------------------

[ Zurück zur Startseite | Zurück zur Kolumnen-Übersicht | Nächste Kolumne ]

(c) beim Autor. All rights reserved.